Wohnungsnotfallhilfe
Wohnungsnotfallhilfe
Warum demonstrieren wir unter dem Motto #wichtigeralsdudenkst?
Am 26. November 2024 entschied das Berliner Abgeordnetenhaus über massive Einsparungen im gesamten Haushalt. Im Bereich Soziales soll dabei um 10 % gekürzt werden – eine Maßnahme, die sich vor allem gegen niedrigschwellige Einrichtungen richtet. Dies verschärft die sozialen Probleme in der Stadt und führt kurz- und mittelfristig zu mehr Wohnungslosigkeit sowie erheblichen Folgekosten.
Dieser Sparkurs ist keine Lösung, er widerspricht der Zielsetzung, bis 2030 die Obdachlosigkeit abzuschaffen – ein Vorhaben, das von der EU, der Bundesregierung und der Berliner Politik formuliert wurde. Gleichzeitig prognostiziert der Senat eine Zunahme von Wohnungslosigkeit: Bis 2030 könnten über 100.000 Menschen in Berlin auf Wohnheime angewiesen sein.
Das Schweigen und Zögern in dieser Situation gefährden nicht nur die Glaubwürdigkeit der Politik, sondern auch das soziale Gefüge. Menschen, die Anspruch auf Hilfen nach § 67 SGB XII haben, werden nicht einfach verschwinden. Ihre Situation verschärft sich, die Zahl der Betroffenen steigt – und mit ihr die Kosten für die Stadt.
Obwohl unsere Einrichtungen aktuell nicht direkt betroffen sind, arbeiten wir eng mit Bezirksämtern, Jobcentern und anderen sozialen Diensten zusammen. Kürzungen bei niedrigschwelligen Angeboten erschweren unsere Arbeit und reißen Lücken im Hilfsnetzwerk. Die Folgen sind gravierend: Isolation, Arbeits- oder Wohnungsverlust und steigender Bedarf an kostenintensiven Hilfen. Besonders problematisch ist das sogenannte Planmengenverfahren, das Bezirke finanziell belohnt, wenn sie weniger für Wohnungsnotfallhilfe ausgeben – und so den Druck auf die Betroffenen verstärkt.
Welche Auswirkungen hat der angespannte Haushalt auf die Wohnungsnotfallhilfe?
Auch ohne direkte Kürzungen haben steigende Löhne und Mieten eine ähnliche Wirkung. Bereits heute reichen die Mittel oft nicht mehr aus, um bestehende Angebote zu finanzieren. Einrichtungen mussten schließen oder ihre Leistungen einschränken – darunter auch eine unserer Anlaufstellen für Wohnungsnotfallhilfe im letzten Jahr. Dies geschieht in einer Zeit, in der die Wohnungslosigkeit rapide zunimmt.
Fehlanreize durch das Planmengenverfahren könnten dazu führen, dass Leistungen zeitlich verkürzt und nicht mehr bedarfsgerecht angeboten werden. Besonders niedrigschwellige Angebote in den Kiezen, die für viele der erste Schritt zurück ins soziale Gefüge sind, sind gefährdet. Unsere Einrichtungen spielen eine zentrale Rolle, indem sie als „Clearingstellen“ fungieren. Menschen kommen mit akuter Wohnungsnot zu uns, und wir identifizieren oft weitere Unterstützungsbedarfe – von Schuldenberatung bis hin zu gesundheitlicher Versorgung. Ohne diese Hilfen werden Betroffene noch tiefer in die Obdachlosigkeit gedrängt.
Was passiert, wenn Angebote nicht mehr ausreichend bereitgestellt werden?
Ein konkretes Beispiel aus unserer Arbeit zeigt die Dringlichkeit: Eine Mitarbeiterin bemerkte auf ihrem Arbeitsweg regelmäßig eine Person, die in einem Auto lebte. Nach einem Gespräch stellte sich heraus, dass diese Person ihren Job verloren hatte und die Miete nicht mehr zahlen konnte. Gemeinsam sichteten wir ihre Post und halfen bei der Beantragung von Sozialleistungen. Innerhalb weniger Tage konnten Mietschulden beglichen und die Wohnung gesichert werden – noch bevor es zu einer Räumung kam.
Solche Erfolge sind nur möglich, wenn Einrichtungen vor Ort präsent sind und Menschen rechtzeitig auffangen. Ein funktionierendes Hilfsnetzwerk ist essenziell, damit aus kleinen Krisen keine existenziellen Katastrophen werden.
Was erhoffen wir uns von der Protestaktion?
Unser Ziel ist es, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass niemand freiwillig in einer Notlage ist. Jeder Mensch hat das Recht, Teil der Gesellschaft zu sein – mitten in ihr, nicht am Rand. Eine kühle, distanzierte Haltung gegenüber Menschen in Wohnungsnot zerstört den sozialen Zusammenhalt und verstärkt die Spaltung.
Wir wollen, dass die Öffentlichkeit und die Politik nachhaltige Lösungen entwickeln, die Menschen nicht ausgrenzen, sondern sie unterstützen. Prävention, nicht Sparmaßnahmen, ist der Weg zu einer solidarischen Gesellschaft.
Wie können Menschen in der Gemeinschaft helfen?
Helfen beginnt mit Aufmerksamkeit und Empathie. Sehen Sie Menschen in schwierigen Situationen nicht als „Obdachlose“, sondern als Individuen mit Geschichten – als Nachbar:innen, Kolleg:innen, Freund:innen. Ein Gespräch, ein Zuhören, ein freundliches Wort können viel bewirken.
Es braucht jeden von uns, um ein solidarisches Miteinander zu schaffen. Niemand sollte ohne Wohnung leben müssen, und jede Stimme, die sich für Unterstützung und gegen Kürzungen einsetzt, zählt.
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